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Mäander
Grasmahd/Unterwasser-Installation
Park an der Ilm, Weimar
Mai/Juni 2006

„Das Wort Mäander stammt vom griechischen Namen Μαιανδρος (Maiandros) für die Flüsse Menderes (Großer Mäander und Kleiner Mäander) in der westlichen Türkei. (...) Bereits in der Antike waren die genannten Wasserläufe bekannt für ihre zahlreichen Flussschlingen.“ (Zitat www.wikipedia.de)

Der Park an der Ilm ist eine von Menschenhand erschaffene Kulturlandschaft. Dieser Park zeigt bis heute eindrucksvoll die Vorstellungen einer idealen Naturlandschaft aus der Zeit der Weimarer Klassik. Bis in die Gegenwart begeistert die weitläufige, 48 Hektar messende Anlage mit ihren zahlreichen kulturhistorischen Stätten die Weimarer Bevölkerung, ebenso wie die vielen Touristen der Stadt. Als von J.W. von Goethe entworfenes lebendiges Denkmal des goldenen Zeitalters Weimars und als Erholungsort erfüllt er eine bedeutende Funktion für alle Menschen die auf seinen Wegen Entspannung und Naturgenuss genießen. Die Lebensader dieses sensiblen Areals war zu allen Zeiten der Fluss Ilm.
Die Ilm entspringt im Thüringer Wald. Seit Jahrtausenden bahnt sie sich ihren Weg in Richtung Meer. Beginnend von ihrer Quelle formte sie dabei eine Vielzahl von Landschaften und Ökosystemen. Die reliefbildenden Kräfte ihrer Fluten transportieren Schwemmgut, graben Schluchten und Furchen; gleichzeitig ebnen sie das Gelände andernorts wieder ein durch die Ablagerung mächtiger Kiesflächen. Auf diesen siedeln sich Pionierpflanzen an und legen somit den Grundstein für die folgenden Lebensgemeinschaften der Sümpfe, Wiesen, Buschgebiete und Auwälder. Ein natürlicher Kreislauf der sich ständig wiederholt und dabei ewig neues Leben erschafft.
Innerhalb dieses Vorgangs bildete der Fluss auch das Ilmtal. Den Ort an dem später die Stadt Weimar entstehen sollte. Als Lebensader spendet die Ilm den Siedlern Wasser und Nahrung, Energie und Handel. Gegen 1776 wurde der symbolische Charakter dieser Gegend als ein Gleichnis einer Natur für den Menschen durch J.W. von Goethe thematisiert - in der Gestaltung des Parks an der Ilm.

Die Idee der Arbeit „Mäander“ greift dieses Symbol auf. Wie bereits beschrieben ist der Park eine Kulturlandschaft von großem Nutzen für uns. Darüber hinaus befindet sich dort aber auch ein Jahrtausendealter Naturraum, in den ein menschengemachtes, ideelles Naturbild einer bestimmten kulturhistorischen Epoche hineinprojiziert wurde. Bei dieser Umformung ging jedoch die grundlegende, wesentliche Eigenschaft des Ilmtals verloren. Die erneuernden Kräfte des fließenden Wassers wurden in ein kontrolliertes Bett gelegt. Der Fluss ist nicht mehr ohne weiteres in der Lage seinen Lauf zu ändern und seine Umgebung zu formen. Der beschriebene Kreislauf wurde vorerst ruhig gestellt.
Im Mai 2006 wurden auf zahlreichen Parkwiesen ehemalige und angenommene Flussläufe aus dem frischen Gras herausgemäht. Der mäandernde Schnitt der Halme diente hierbei als metaphorische Umkehrung des natürlichen Bewachsungsprozesses von Schwemmland. Das Herausmähen glich gewissermaßen einer archäologisch – künstlerischen „Bergungsaktion“ auf der Suche nach Spuren einer natürlichen Vergangenheit dieses Ortes jenseits aller kulturhistorischen Geschichte. Die „eingelagerten“ Hecken und Bäume blieben dabei unberührt, als „standhafte Pfähle“ in den Mäandern belassen.
Im Kontrast zum umgebenden ungeschnittenen Rasen ergab sich dem Betrachter ein eigentümliches Bild von mäandrierenden Schneisen die sich scheinbar willkürlich untereinander und mit dem heutigen wasserführenden Flussbett der Ilm überlagerten. Nach einigen Tagen und Wochen wurden die Schneisen von den erneut sprießenden Pflanzen überwuchert. Dadurch verschwanden die „alten Ilmen“ mehr und mehr aus dem menschlichen Blickfeld bis zur völligen Unkenntlichkeit und Unauffindbarkeit. Der Zustand vor der Arbeit stellte sich von selbst wieder ein.
Parallel zur Grasmahd der Mäander wurden an den Schnittstellen der alten Ilmen mit dem heutigen Flusslauf hölzerne Pfähle ins gegenwärtige Flussbett eingeschlagen. Deren unterer Teil (bis zur Wasseroberfläche) war mit Blattgold überzogen und trug je eine weisblaue Stoffahne die unter Wasser wehte. Auf den insgesamt zwanzig Fahnen waren Wortgruppen aufgeschrieben, die gemeinsam ein Gedicht in Fließrichtung des Flusses ergaben.